Gefühle

Gefühle sind da, um gefühlt zu werden.

Schon kleine Kinder spüren, dass es den Eltern lieber ist, wenn sie lieb und brav sind als wenn sie schreien und toben. Die Kleinen wissen ganz genau, wie sie sich verhalten müssen, um geliebt zu werden – und jedes Kind möchte wahrgenommen und geliebt werden. Zudem ist auch jedes abhängig von seinen Eltern und muss sich somit anpassen. So lernen Kinder schon früh, dass sogenannte negative Gefühle nicht gerade willkommen sind.

Auch später werden dann massenhaft Wut und Ärger unterdrückt, bis es irgendwann den Deckel lupft. Aber auch die Freude wird bei uns nur mässig ausgelebt, wenn man mal mit südlicheren Ländern vergleicht, wo beispielsweise gemeinsam tanzen, singen und lachen zum Alltag dazugehört.

Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt - doch sind wir auch innerlich reich? Wenn du schon mal an einem Morgen an einem Bahnhof warst, dann kannst du die Antwort erahnen. So viele abgelöschte Gesichter, dass es auffällt, wenn jemand fröhlich ist. Es ist auch verständlich, dass viele Menschen so gerne reisen. Sie wollen einfach zwischendurch wieder mal sehen, was Leben ist und sich anstecken lassen von der Lebensfreude von Menschen aus anderen Kulturen.

Ich habe den Eindruck, dass wir in unserer Gesellschaft die Gefühle auf Sparflamme halten, was nicht gesund sein kann. Irgendwann kommt es zu Angst- und Panikattacken, zu Depressionen, Wutanfällen usw., weil die Gefühle endlich mal beachtet, gefühlt und angenommen werden wollen statt immer nur weggedrückt zu werden. Doch wir lenken uns lieber mit allem Möglichen ab, nur um nicht genauer hinzusehen und uns mit dem Unangenehmen beschäftigen zu müssen.

Wenn jedoch das Unangenehme nicht angenommen wird, dann kann auch das Angenehme nicht so richtig zum Vorschein kommen: die Freude, das Glück, der innere Frieden… Dabei ist unsere Gesellschaft so sehr auf Optimierung programmiert. Was die Gefühle angeht, liegen wir jedoch noch ganz weit zurück.

Martina Pfister
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