Sprache & (Trauma)Heilung

Wie die Sprache unser Leben beeinflusst

Sprachen haben mich von klein auf fasziniert und ich wusste schon früh, dass sie mich immer auf irgendeine Art und Weise begleiten werden. Ich finde es spannend, dass sich das Thema Sprache auch mit meiner Coachingtätigkeit perfekt verbinden lässt.

Vor einigen Tagen habe ich einen Vortrag gesehen, der mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Es ging um Kriegsenkel, Trauma und Sprache. Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit Trauma beschäftigt und mir ist immer bewusster geworden, dass wir Menschen vieles von vorherigen Generationen übernehmen und somit sehr geprägt sind von den Erfahrungen unserer Ahnen.

In dem Vortrag ging es darum, dass wir auch die Sprache übernehmen – und diese ist oftmals noch stark beeinflusst vom ersten und zweiten Weltkrieg.

Ich nenne dazu einige Beispiele:

  • Es regnet und jemand sagt: Komm, wir flüchten unters Dach.

  • Bombenstimmung

  • granatenmässig

  • Bist du für den Ausflug gerüstet?

  • Er arbeitet an der Front

  • Entschuldige, dass ich dich so überfalle.

  • Ich habe deinen Werdegang / dein Wirken verfolgt.

  • Sie hat ihn abgeschossen (oder umgekehrt)

Auch das Wort ‚Not‘ ist in unserer Sprache noch häufig anzutreffen:

notwendig, nötig, notgedrungen, Notfall, Notstand, Notnagel

Viele Menschen haben ausserdem heute noch die Tendenz, im Passiv zu sprechen oder sich selbst nicht zu benennen, was ebenfalls auf die Vergangenheit zurückzuführen ist.

Beispiele dazu:

  • Wir wurden informiert / angewiesen / entlassen

    (früher: wir wurden vertrieben / verfolgt / bedroht)

  • bin im Garten / bin gleich da / komme etwas später

    Wo ist das Ich?

Es gibt heute keinen Grund mehr, die Sprache zu nutzen, die sich zu Kriegszeiten etabliert hat und dennoch ist sie selbst in unserer Zeit immer noch sehr präsent. Dadurch leben die Vergangenheit und die damit verbundenen (oftmals übernommenen) Traumata weiter. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir unsere Sprache verändern, neue Worte wählen, im Aktiv sprechen, uns gleichsetzen mit anderen, was sich positiv auf den Heilungsprozess auswirkt und dank dem angepassten Vokabular ausserdem noch zu einer friedvolleren Welt beiträgt.

Martina Pfister
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